Verhaftungen an der Columbia University | sv 00:37 Min. Verfügbar bis 01.05.2026

Pro-palästinensische Proteste in New York: Eindrücke von der Räumung

Stand: 01.05.2024, 11:57 Uhr

An der New Yorker Columbia University ist die Polizei gegen Proteste vorgegangen. Sie räumte ein Uni-Gebäude, das pro-palästinensische Studierende besetzt hatten. WDR-Reporterin Sarah Schröer López war vor Ort.

Von Sarah Schröer López

"Go get them!" – "Los, kriegt sie!", rufen die Polizisten, als sie auf den Campus der renommierten Columbia-Universität in New York laufen. Es ist 21.06 Uhr Ortszeit. Hunderte Männer und Frauen des NYPD sind mit Schutzhelmen, Schlagstöcken und Kabelbindern ausgestattet. Letzteres nutzen sie, um pro-palästinensische Studierende festzunehmen.

Die Studierenden haben seit knapp zwei Wochen auf dem Campus eine Zeltstadt errichtet und auch ein Gebäude besetzt. Sie kritisieren, wie Israel im Gaza-Krieg vorgeht und fordern Solidarität mit den Palästinensern. Außerdem verlangen sie von der Hochschule, finanzielle Beziehungen mit Israel zu kappen. Die Universitätsleitung lehnte das ab. Dienstagabend wird der Protest vorzeitig beendet. Journalisten – darunter auch ich – stehen an der Seite und filmen die Szenen.

Eingeschlagene Scheiben, verbarrikadierte Eingänge

Die Einsatzkräfte laufen in Richtung der protestierenden Studierenden. "We will not be moved!" – "Wir werden uns nicht bewegen lassen!", singen sie vor der Hamilton Hall. Das Gebäude der Universität hatten sie in der Nacht zum Dienstag besetzt. Sie schlugen Scheiben ein und stellten Tische und Stühle vor den Eingang. Einige Studierende verbarrikadierten sich in dem Gebäude. Sie wissen, dass sie heute Nacht verhaftet werden. Einige übergeben ihre Handys vorläufig an einen anderen Studenten. Den Tag über war der Campus weitgehend abgeriegelt.

WDR-Reporterin Sarah Schröer López | Bildquelle: Sara Selva Ortiz

Alle Journalisten und auch Studierende, die nicht als Protest-Teilnehmer erkennbar sind, werden von der Polizei aufgefordert, zu gehen. Die Situation ist unübersichtlich. Wir stehen dicht gedrängt, manche werden in ein Gebäude geschickt, andere auf die Straße. Einige Journalisten versuchen, mit der Polizei zu diskutieren, aber wir müssen vom Gelände runter. Ich stehe im Straßenblock direkt vor der Columbia University, der von der Polizei komplett abgesperrt ist. Von dort sehe ich die Busse der Polizei.

Es dauert nicht lange und die Polizei führt die ersten Demonstranten in Kabelbindern ab. Sie führt sie zu den Bussen. Laut dem US-Sender NBC wurden etwa 100 von ihnen in Gewahrsam genommen. Vor der Universität fordern Demonstrierende derweil das NYPD lautstark auf, die Studierenden gehen zu lassen. Inzwischen hat die Polizei auch begonnen, das Zelt-Camp auf dem Campus abzubauen. 

Es ist bereits der zweite Großeinsatz der Polizei auf dem Campus. Vor knapp zwei Wochen war die New Yorker Polizei schon einmal auf Bitten der Uni-Leitung gegen die Studierenden vorgerückt.

Das Camp funktionierte wie eine kleine Stadt

Das sogenannte Gaza-Solidaritätscamp mit etwa hundert Zelten bestand seit etwa zwei Wochen. Es hat funktioniert wie eine kleine Stadt. Die Protestanten haben hier gegessen und geschlafen. Freiwillig wollten die Studierenden erst wieder gehen, wenn die Columbia ihren Forderungen nachkommt. Die Universität sollte etwa ihre finanziellen Beziehungen zu Israel beenden, so die Protestierenden.

Camp pro-palästinensischer Studierender an der Columbia University wird von der Polizei geräumt | Bildquelle: AP/Marco Postigo Storel

Für einige jüdische Studierende wird es eine Erleichterung sein, dass das Camp nun erst mal beendet ist. Ich habe mit Studierenden gesprochen, die sich auf dem Campus unwohl und teilweise auch unsicher fühlen, weil die pro-palästinensischen Studierenden in ihren Gesängen auch immer wieder zur Intifada aufrufen - also zu politischen Aufständen gegen Israel wie Ende des letzten Jahrhunderts und Anfang der 2000er-Jahre .

Auf der anderen Seite gibt es auch jüdische Studierende, die das Camp unterstützen und dort auch gelebt haben. Der Protest an der Columbia-Universität hat sich zuletzt auch an andere US-Universitäten bis nach Kalifornien und Texas ausgebreitet.

"Antisemitismus und Verharmlosung der Hamas"

Kritiker werfen insbesondere dem radikalen Teil der Protestbewegung Antisemitismus und die Verharmlosung der Hamas vor - die Islamistenorganisation spricht Israel das Existenzrecht ab und hat den Gaza-Krieg mit einem beispiellosen Massaker am 7. Oktober ausgelöst.

Die Hamas und andere islamistische Gruppen hatten bei ihrem Überfall auf Israel am 7. Oktober vergangenen Jahres etwa 1.200 Menschen getötet und mehr als 250 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Israel reagierte darauf mit einer Bodenoffensive und Luftangriffen auf das Küstengebiet. In der Folge wurden nach - unabhängig kaum zu verifizierenden - Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde seit Kriegsbeginn etwa 34.500 Menschen getötet.

Die Polizei soll auf dem Campus bleiben

Wie geht es jetzt an der New Yorker Columbia-University weiter? In einem Brief forderte die Präsidentin der Uni, Minouche Shafik, die Polizei auf, mindestens bis zum 17. Mai auf dem Campus präsent zu bleiben. Am 15. Mai steht die Abschlussfeier für Absolventen und Absolventinnen an. Dafür wird auch die Wiese benötigt, auf der das Protest-Camp war. Den protestierenden Studierenden droht wegen der Haus-Besetzung nun die Exmatrikulation, erklärte Universitätssprecher Ben Chang.

Hinweis: Unsere Autorin ist aktuell Studentin an der New Yorker Columbia University.