Auf dem Foto ist ein Security-Mann mit einer Kappe, der einen Gang eines Krankenhauses hinunterschaut.

In der Notaufnahme: Gewalt gegen Mitarbeiter gehört zum Alltag

Stand: 29.04.2024, 12:13 Uhr

In NRW-Krankenhäusern gibt es immer mehr Übergriffe. Eine Dortmunder Klinik musste den Sicherheitsdienst aufstocken, um Krankenpfleger und Ärzte vor Patienten zu schützen. Ein Besuch vor Ort.

Von Portrait Sven LüüsSven Lüüs

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Krankenpflegerin Susanne Jacobs trägt kein Namensschild mehr. Genau wie ihre Kollegen. Dafür wurden die Pfleger und Ärzte in der Notaufnahme des Klinikums Dortmund in der Dortmunder Nordstadt zu oft bedroht. Sätze wie "Ich komme bei dir vorbei" oder "Ich warte auf dem Parkplatz auf dich" fallen oft, sagen sie.

Seit November letzten Jahres gibt es sogar einen eigenen Security-Mann für die Notaufnahme, der jede Nacht da ist – vor allem, um das Klinikpersonal vor den Menschen zu schützen, denen hier trotzdem noch geholfen wird: den Patienten und ihren Angehörigen.

Konflikte im Krankenhaus: Aggressionen von Patienten und Angehörigen

03:19 Min. Verfügbar bis 29.04.2026

"Du weißt nie, ob einer mit nem Messer vor dir steht" Susanne Jacobs, Krankenpflegerin
Auf dem Foto ist eine blonde Frau in blauer Kleidung, die neben der Aufschrift "Wundversorgung" steht.

Susanne Jacobs arbeitet hier seit 30 Jahren.

"Die Hemmschwelle, sich zu prügeln, geht runter," sagt Jacobs. Sie macht den Job seit etwa 30 Jahren. Früher habe sie Spaß bei der Arbeit gehabt. Heute hat sie manchmal Angst vor dem Nachtdienst am Wochenende: "Du weißt nie, ob einer mit nem Messer vor dir steht," sagt sie in einer Nacht von Freitag auf Samstag.

Im Jahr 2022 hat das Landeskriminalamt 1571 sogenannte Rohheitsdelikte in NRW-Krankenhäusern gezählt. Das sind 29 Prozent mehr als 2019. Zu Rohheitsdelikten zählen Drohungen, Nötigungen und Körperverletzungen.

Patienten kommen nach Schlägerei aggressiv an

Dass Beleidigungen und Tätlichkeiten gegen das Klinikpersonal zunehmen, bestätigen auch der Katholische Hospitalverbund Hellweg, das Dortmunder St.-Johannes-Hospital und zwei Sicherheitsdienste im Ruhrgebiet dem WDR. Aber woran liegt das?

Im Klinikum Dortmund liefert der Rettungsdienst gerade einen potenziellen Problem-Patienten an. Er hat einen Schlag mit einer Glasflasche abbekommen. Mit einem Verband am Kopf läuft er flankiert von zwei Rettungssanitätern ein. Menschen, die von einer Schlägerei kommen, seien oft noch aggressiv, erklärt Thorsten Strohmann, der die Notaufnahme in der Dortmunder Nordstadt leitet.

Ungeduldig, respektlos und auf Drogen

Auf dem Foto ist eine blonde Frau in blauer Kleidung, die einem Mann auf einer Liege an den kleinen Finger fasst.

Susanne Jacobs bereitet einen Patienten für die Behandlung vor.

Der Mann setzt sich auf einen Rollstuhl auf dem Flur. Security-Mann Dennis Stadler fragt bei den Kollegen vom Empfang nach, womit sie rechnen müssen: Bei der Anmeldung war der Mann ruhig. Immerhin. Aber: "Wenn er jetzt fünf Minuten warten muss, kann es sein, dass er dann aggressiv wird", sagt Susanne Jacobs. Und er muss warten.

Mehr Ungeduld und Respektlosigkeit, oft gepaart mit Alkohol und anderen Drogen – das ist das, was es den Krankenpflegern und Ärzten in der Notaufnahme so schwer macht, erklärt Jacobs.

Alle wollen sofort behandelt werden

Einmal sei ein Patient in die Notaufnahme gekommen, weil er seit mehreren Wochen Knieschmerzen hatte, erzählt Security-Mann Stadler. Dieser habe gefordert, sofort mit einem Arzt zu sprechen. Stadler erklärte ihm, dass die Ärzte sich gerade um einen Schwerverletzten kümmern müssen: "Der wollte immer noch, dass wir den Arzt von einem Schwerverletzten abziehen, damit er nicht warten muss".

Thorsten Strohmann sagt, dass diese Ungeduld und Respektlosigkeit in der ganzen Gesellschaft zunehmen. Zum Beispiel beobachte er das auch im Straßenverkehr.

"Von 24 Stunden gibt es 23, in denen wir den Leuten helfen können"

In der Notaufnahme des Klinikums Dortmund soll es heute friedlich bleiben. Der Mann, dem jemand mit einer Glasflasche auf den Kopf geschlagen hat, kommt schnell dran. Arzt Henrik Bertram näht die Platzwunden zu.

Auf dem Foto ist ein Mann mit Brille in blauer Kleidung, der zu einem Patienten auf einer Liege spricht. Der Kopfverband des Patienten ist voller Blut.

Henrik Bertram spricht zu einem Patienten mit zerschlagenem Gesicht und Stichwunde.

Beim Rausgehen verabschiedet sich der Patient noch freundlich von Ärzten und Pflegern. Die meisten Patienten sind froh, dass es Menschen gibt, die hier die Nachtschicht machen. "Von 24 Stunden gibt es 23, in denen wir den Leuten helfen können," sagt Bertram.

Sechs EM-Spiele in Dortmund

In der kommenden Zeit stehen aber viele schwierige Tage für die Notaufnahme an. In eineinhalb Monaten beginnt die Heim-EM. Sechs Spiele finden in Dortmund statt - je mehr Alkohol fließt, desto mehr Menschen landen auch wegen Unfällen in der Notaufnahme in der Dortmunder Nordstadt.

Fußballfans oft betrunken, aber meistens friedlich

Jedoch nimmt Thorsten Strohmann Fußballfans in Schutz: Sie würden zwar wegen häufig exzessivem Alkoholkonsum in der Notaufnahme landen, dann aber meistens nicht das Personal beleidigen oder gar schlagen: "Die WM 2006 war friedlich".

Susanne Jacobs sorgt sich am meisten um den kommenden Mittwoch: "Ich finde den ersten Mai sogar schlimmer als Silvester".

Unsere Quellen:

  • Reporter vor Ort
  • Klinkum Dortmund
  • Katholischer Hospitalverbund Hellweg
  • St.-Johannes-Hospital Dortmund
  • Sicherheitsdienst Happe
  • Sicherheitsdienst WWS
  • Landeskriminalamt NRW

Über dieses Thema berichtet der WDR am 30.04.2024 auch im Radio auf WDR 2.

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9 Kommentare

  • 9 Claudia 30.04.2024, 13:24 Uhr

    Es ist sehr beängstigend was mittlerweile in Notaufnahmen, bei den Rettungskräften, der Polizei und auch z. B. in Apotheken so abgeht. Keinerlei Respekt vor wem auch immer und ein Egoismus bis Narzissmus, der sprachlos macht. Auch ich arbeite seit 40 Jahren im Gesundheitswesen und freue mich durchaus schon auf meine Rente, wenn ich es denn bis dahin noch aushalte.Als ich vor 9 Jahren, nach einem Verkehrsunfall, in o. g. Notaufnahme eingeliefert wurde und bei dem CT ein Hirntumor gesichtet wurde, hatte ich auch Angst und wollte möglichst schnell Klarheit. Dennoch wäre ich nie auf die Idee gekommen aggressiv zu werden, als alle Ärzte im Schockraum verschwanden um einen Motorradfahrer zu versorgen, der per Helikopter kam. Ich bin den Menschen dort nach wie vor sehr dankbar und bin froh dass sie dort ihre Arbeit verrichten. Durch die bin ich wieder gesund.

  • 8 AntonZ 30.04.2024, 11:23 Uhr

    Wie wird das in anderen Ländern gehandhabt? Stocken alle ihr Sicherheitspersonal auf, oder gibt es auch andere, bessere Lösungen im Rest der Welt?

  • 7 Harald B. 29.04.2024, 22:37 Uhr

    Gewalt gegen Personal in Notaufnahmen darf nicht toleriert werden. Aber in unseren Krankenhäusern muss auch genügend Personal eingesetzt und angemessen bezahlt werden. Es darf nicht auf Kosten von kranken Menschen gespart werden. Und es darf nicht immer schwieriger werden, in Facharztpraxen einen Termin zu bekommen.

  • 6 Wima 29.04.2024, 21:18 Uhr

    Gesetze verschärfen, keine Bewährungsstrafen mehr und warum nicht einfach Mal jemanden nicht behandeln? Wer sich so benimmt, hat sein Recht auf Hilfeleistung verwirkt. Unterlassene Hilfeleistung? Nein, ich würde das Notwehr nennen.

  • 4 Sibylle 29.04.2024, 18:10 Uhr

    "dass diese Ungeduld und Respektlosigkeit in der ganzen Gesellschaft zunehmen." Warum das so ist, das ist die Frage, die wir dringender beantworten müssen als jede andere. Denn wir können diese Entwicklung ja alle seit Jahren beobachten: Das Benehmen wird (durchschnittlich) immer grober, die Sprache immer ordinärer und falscher (wofür übrigens der ÖR bereitwilligst als Multiplikator dient) und Menschen gleichzeitig immer anspruchsvoller und larmoyanter. Wenn wir es zulassen, tatsächlich eine derart infantile Gesellschaft zu werden, dann sind wir eine aussterbende Spezies - wir können noch lernen, einigermaßen auskömmlich mit dem Klimawandel umzugehen, aber ein soziales Wesen, das sich in der Mehrheit nur noch asozial verhält, kann nicht überleben. Erzieht Kinder wieder und erzählt ihnen nicht dauernd, dass ihnen Bildung und Benehmen bösartigerweise aufgepfropft wird. Menschen wollen lernen und sich entwickeln!

  • 3 Sibylle 29.04.2024, 17:53 Uhr

    "dass diese Ungeduld und Respektlosigkeit in der ganzen Gesellschaft zunehmen." Warum das so ist, das ist die Frage, die wir dringender beantworten müssen als jede andere. Denn wir können diese Entwicklung ja alle seit Jahren beobachten: Das Benehmen wird (durchschnittlich) immer grober, die Sprache immer ordinärer und falscher (wofür übrigens der ÖR bereitwilligst als Multiplikator dient) und Menschen gleichzeitig immer anspruchsvoller und larmoyanter. Wenn wir es zulassen, tatsächlich eine derart infantile Gesellschaft zu werden, dann sind wir eine aussterbende Spezies - wir können noch lernen, einigermaßen auskömmlich mit dem Klimawandel umzugehen, aber ein soziales Wesen, das sich in der Mehrheit nur noch asozial verhält, kann nicht überleben. Erzieht Kinder wieder und erzählt ihnen nicht dauernd, dass ihnen Bildung und Benehmen bösartigerweise aufgepfropft wird. KInder woll lernen und sich entwickeln!

  • 2 Su SuBalsanOkinawa@com 29.04.2024, 16:59 Uhr

    Ich bin der Meinung das Rettungskräfte Feuerwehrleute Polizisten u Pflegepersonal egal ob Krkhs.o Alten-u Pflegeheime vor solchen Angriffen besser geschützt werden müssen. Die diè so gewalttätig sind sollten ab12Jahrwen härter bestraft werden am besten auch in Notaufnahmen o Rechtsmedìzin damit sie sehen was sie damit anrichten mein 4jähriges Enkelkind weiss sogar schon das man keinen Menschen verletzen o töten darf ich finde das die strafen zu gering sind wenn ein 19Jahre alter Rasr mutter u kind totfährt u nur 5 jahre auch z.t.auf Bewährung fragt man sich was sind Menschenleben noch wert kommtt von der Verteidigung oft ......schlecht o schwere Kindheit alkohol Drogen vermindert schuldfähig sofort auto u Führerschein lebenslang einziehen wir haben als kinder mit einer peitsche die9Lederriemen hatte o was gerade da war Gürtel kochlöffel schläge bekommen o die noch älteren haben schlimmeres erlebt gehen die hin u bringen Menscgen um oder verletzen sie oftmals lebensgefährlich nein LĢ

  • 1 Anna 29.04.2024, 15:16 Uhr

    Unsere Politiker sollten sich mal fragen warum sich solche Vorkommnisse häufen.Ich habe da so eine Ahnung..Dortmunder Nordstadt?Alles klar.